Ein Film von David le Viseur und Michael Pfitzner
HD-Video,10:50min, 2016
Der Archetypus des performativen Kunst-Films: Der Künstler schafft die Versuchsanordnung, die Idee und Bedingungen. Darin liegt der Witz, die Tiefe und Originalität des Werkes. Aber, das muss man (im Gegensatz zur Konzeptkunst) gar nicht zeigen. Sondern: Man zeigt lediglich, was sich aus Konzept und Anordnung ergibt. Ganz automatisch, ohne Korrekturen und Eingriffe. Reine Physik, reiner Prozess.
Das hat fast etwas Romantisches. Abwesenheit des Menschen, des Künstlers. Keine Intervention oder Kontrolle. Echtes Naturvertrauen. Rousseau 2.0.
Eine der größten Huldigungen an den von sich aus gelingenden Prozess ist der Film “Der Lauf der Dinge” von Peter Fischli und David Weiss. Eine halbe Stunde lang gelingt (scheinbar) alles – ganz von allein. Magisch!
Aber es ist nicht so. Nicht in der Welt, nicht in der Kunst. Egal, wie gut die Idee, das handwerklich-technische Können, Planung und Organisation auch sind: Es geht schief. An dieser oder jener Stelle passiert einfach etwas Anderes. Oder nichts. Oder etwas völlig Absurdes. Und das macht den Künstler und das Kunstwerk aus: Den scheiternden, widerborstigen Dingen auf die Sprünge zu helfen, sie weiterzutreiben, trotz allem. Mehr noch: Das Unerwartete zu provozieren und zu nutzen.
Auch der Betrachter ist deshalb wichtig. Nicht als ein passiv seine Passivität genießender, sondern als möglicher Helfer. Denn: Der Lauf der Dinge ist kein automatischer. Er ist ein aufhaltsamer – so, wie der Aufstieg des Arturo Ui damals, und ähnlicher Gestalten heute ein aufhaltsamer ist. Künstler intervenieren immer. Und das ist gut so. Also, kaschieren wir diese Spuren nicht (wie es die akademischen Maler des 19. Jahrhunderts taten) und simulieren wir keine perfekte Welt der Performativität!
Das tut weh beim Zuschauen. Es ist nicht mitanzusehen, was alles schiefgeht. Unsere Absichten, wenn sie nur neu genug sind, kollidieren mit der Welt auf geradezu fantastische Weise. Kausalität ist ein Mythos der Gewohnheitstiere!
Das hat alles nichts mit dem schicken, durch Venture Capital gepolsterten Lob des Scheiterns á la Silicon Valley zu tun.
Dadurch, dass wir nun jahrelang auf Bildschirme schauen und uns zwischen LIKE, OK oder ABBRECHEN entscheiden, haben wir vergessen, was alles möglich ist. Wir haben keine Ahnung mehr, wie selbst einfache Dinge ablaufen können. Zehn positive Tests bedeuten gar nichts. Bestätigung ist irrelevantes Egofutter. Es ist egal, dass wir denken: Das muss so gehen! Was aber auch heißt: Die Welt ist erstaunlich offen.
Selbst wenn man plant, dass etwas schiefgeht, geht auch das schief. Meta-Fail. Denn das war die Idee zum Film: Das Scheitern einer Rube-Goldberg-Maschine zu zeigen. Aber es ging ganz anders schief, als wir wollten. Und es funktionierten auf einmal Dinge, die scheitern sollten. Also: Scheitern sogar des Scheitern-Wollens. Es ist zum verrückt werden, zum traurig werden, oder lachen. Oder einfach der (aufhaltsame) Lauf der Dinge.
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Making-of “Der aufhaltsame Lauf der Dinge”