Audio Installation, 2016

TEXT:

Ich bin Dein Audioguide
Ich werde Dich führen und leiten
Ich werde Dir Dinge sagen, die Du nicht siehst
Du musst nicht hinsehen
Du musst nichts wissen
Dafür bin ich da
Die perfekte Prothese
Es wäre ja blöd, wenn einem zu der Kunst nichts einfällt!
Was würden Deine Freunde denken?
Was würdest Du von Dir denken?
Es wäre ja blöd, wenn man nicht ein bisschen ein Bildungserlebnis hätte!
Vielleicht kann man ein kleines Fragment als sein eigenes ausgeben, später, unter Freunden.
Keine Sorge!
Ich bin Dein Audioguide
Ich führe Dich durch die Unwägbarkeiten der modernen Kunst
Das kann ja wirklich niemand verstehen!
Ich nehme Dich bei der Hand
Du musst keine Angst haben
Keine Angst vor deinem Unwissen
Keine Angst vor dem Wissen der Anderen
Keine Angst vor der merkwürdigen Kunst.
Aber vorher musst Du mir eine Sache versprechen
Eine ganz kleine
Versprich mir, dass Du nie wieder einen Audioguide benutzt.
Nie wieder.
Sag es.
Heb die Hand zum Herzen und flüstere:
Ich werde nie wieder einen Audioguide benutzen.
Entschuldige, ich bin vielleicht ein etwas besitzergreifender Audioguide, aber ich will
Dein letztes Mal sein.
Nach mir kommt kein anderer Audioguide.
Nie wieder wirst Du Dich hinreißen lassen
aus Langeweile oder Unsicherheit oder simuliertem Interesse
auch nur in die Nähe eines Audioguides zu gehen.
Das war’s. Ein für alle Mal.
Du bist ein autonomer Mensch.
Du brauchst keinen Führer.
Information ist schön aber meist irrelevant.
Die Kunst ist für Dich da, mit allem, was Du nicht weißt.
Es gibt nur noch wenige Dinge und Situationen in der Welt, in denen Du wichtig bist.
Unbewaffnet, nackt.
Wo es darum geht, wahrzunehmen. Mit aufgerissenen Augen. Frei zu spielen.
Was siehst Du?
Was denkst Du?
Du bist Dir nicht sicher?
Gut so!
Scheiß drauf!
Du brauchst kein Alibi und keine Krücke.
Wenn du etwas wissen willst, google es, später.
Der Moment aber, mit der Kunst, kommt nie wieder.
Das erste Mal.
Es gibt nur ein Erstes Mal.
Unsicher. Scheu. Ignorant. Verwundert. Erregt. Fragend.
All das ist gut.
Du lebst, Du bist da.
Vieles siehst Du nicht.
Viele Informationen hast Du nicht.
Ja.
So ist das Leben und so ist die Kunst.
Bitte glaube nicht, dass es Dir hilft, wenn ich Dir sage:
Die Werke sind in langen orgiastischen Choreographien entstanden. Das zu Grunde liegende intermediale Konzept vereint Tugenden und adressiert Leerstellen der analogen und digitalen Bildwelt durch einen dialektischen Rekurs auf die Unmittelbarkeit der menschlichen Gestalt in seiner performativen und ästhetischen Mehrdeutigkeit.

Fühlst oder siehst Du jetzt etwas Neues?
Ich wette: Nein.
Wie schon Adorno im Anschluss an Walter Benjamin schrieb und wie Baudrillard, den späten Foucault süffisant kritisierend sagte: der Bezug auf bestimmte, in der Kunstwelt wie Zombies oder Kakerlaken wiederkehrende Denker ist kein Zeichen von Bildung, Intellektualität oder irgendeiner Dir abgehenden Nobilität.
Also: Setz Dich dem nie wieder aus. Und fühle Dich auch nicht für einen Moment unsicher deswegen.
Aber: es ist wichtig, dass Du Dir die Dinge direkt anschaust.
Ohne Führer.
Ohne all die richtigen aber unwichtigen Informationen.
Ohne Netz und doppelten Boden.
Denke selber.
Oder besser: denke gar nicht.
Du kannst ein Werk nicht wahrnehmen, wenn Du nicht wenigstens kurz –innerlich– die Klappe hältst.
Das ist eine wissenschaftliche Tatsache.
Sätze hören und Dinge wahrnehmen behindern sich gegenseitig.
Umso wichtiger also, dass ich die Klappe halte.
Ich bin Dein Audioguide, ich bin Dein Führer. Und ich sage Dir:
Du brauchst keinen Führer.
Die Kunst braucht keinen Führer.
Du musst nicht strammstehen.
Der rechte Arm bleibt heute mal unten.
Du bist niemandem Rechenschaft schuldig.
Es ist nicht so oder so – und dann hast Du’s gut und richtig gemacht.
Du bist nicht mehr in der Schule.
Egal wie viele Fakten Du kennst, nichts ersetzt die Wahrnehmung.
Meine Erklärungen werden nicht dazu führen, dass Du Dich in ein Werk verliebst.
Aber darum geht es.
Du darfst nur dann einen Audioguide benutzen, wenn Du Dir beim Sex auch einen aufsetzen würdest.
Wenn Du Dir einen Audioguide aufsetzt, hast Du schon aufgegeben bevor es losgeht.
Leg’ mich also jetzt zur Seite, reiche mich weiter.
Schau.
Fühle.
Es gibt nur das eine Mal.