Interview, 2016
Was hat es mit dem Titel der Ausstellung und dem Bild, das euch als Boxer zeigt auf sich?
DLV: Kunst verweist immer auf die Zukunft. Der Dichter W.B. Yeats hat gesagt: “The arts lie dreaming of things to come”. Also: Wovon träumt die Kunst? Wie soll Kunst in Zukunft sein? – Aber es könnte sein, dass man sich verpasst. Die Zukunft ist immer wo anders.
MP: Vielleicht sogar in der Vergangenheit. Darauf spielt das Bild von uns als Boxern an: Warhol und Basquiat.
DLV: Und Kunst ist ein besonderer Kampf: Miteinander, gegeneinander, für künstlerische Positionen, vor und für Publikum. Ein Kampf der Vereinbarkeiten. Vielleicht bekommt man aber auch eins in die Fresse.
MP: Aber wir halten länger durch als im Box-Ring.
DLV: Mehr als 10 Sekunden.
Wie kam es zu der Ausstellung? Was ist der Hintergrund?
MP: Die Ausstellung begann als kuratorisches Projekt im Rahmen von NeuroArt e.V., das David gegründet hat.
DLV: Der Tod meines Vaters machte das dann unmöglich. Aber es entstand Kunst.
MP: Und ich habe Tag und Nacht an Dingen gearbeitet, um mich an Kunstakademien zu bewerben.
DLV: Daraus entstand dann eine intimere, radikalere Idee zu dieser Ausstellung. Das Kösk-Team fand das gut. Was uns wiederum angespornt hat.
MP: Die Arbeiten sind fast alle im letzten Jahr, den letzten Monaten entstanden.
DLV: Deshalb nennen wir es auch eine Retrospektive.
Wie arbeitet ihr?
DLV: Wir arbeiten meist allein. Aber, was selten ist, es gibt einen Kosmos der Probleme, Ideen und Faszinationen, den wir teilen. Und das führt dann zu einer Art Parallelflug.
MP: Meins, Deins – alles bürgerliche Begriffe! – Richard Feynman hätte auf die Frage mit einem lauten: “Because it’s interesting!” geantwortet.
DLV: Bei Kunst geht’s um die Sache. Und die gehört niemandem. Kunst braucht immer den Anderen.
Eure Ausstellung zeigt Fotografien, Skulpturen, Installationen, Videos und sogar Malerei. Das ist ungewöhnlich. Was ist der Grund?
DLV: Ich finde es sehr merkwürdig, dass sich Künstler heute noch mit einem Medium identifizieren. Dass es Wert-Hierarchien gibt. Das ist fürchterlich provinziell und altmodisch. Es gibt nur ein Medium auf dem Kunst operiert: Das Gehirn/Bewusstsein von Menschen. Künstlerische Medien haben ihre Laster und Tugenden, aber das Wesentliche ist etwas anderes: Kunst ist das Spiel mit -jedem- mentalen Gehalt. Kunst ist größer als alle Medien.
MP: Manche Bilder, z.B. die “Studies for an Illumination”, entstehen wie Malerei und Performance. Sie dauern länger im Betrachter als viele Videos. Es ist nicht “Fotografie”, bloß, weil eine Kamera beteiligt war. Dasselbe gilt für alle Werke, die wir zeigen.
DLV: Es geht immer um den ästhetischen Gegenstand, um einen bestimmten Witz, etwas, das Click! macht, wie David Foster Wallace sagte. Das zu schaffen macht den Künstler heute aus. Die Zeiten sind vorbei, in denen Künstler eine Idee, einen einzigen Topos wie ein Börsenportfolio diversifizieren und dann zu Tode reiten dürfen. Künstler müssen so reich sein, wie die Welt in der sie leben. Deshalb zeigen wir wir Fotografien, Skulpturen, Malerei, Videos und Installationen. Lustiges, Trauriges, Sexuelles, Politisches, Formales…
MP: Ich habe vor Jahren als Fotograf angefangen. Aber das ist irreführend. Hab’ ich Skulpturen gemacht, als ich fotografiert habe? Fotografiere ich, wenn ich jetzt eine Skulptur einer Banane mache?
DLV: Reden wir darüber, was faszinierend ist! Und das sind immer universelle Dinge. Ein Beispiel ist die Orgie des Scheiterns, die wir im Video “Der aufhaltsame Lauf der Dinge” zeigen.
MP: Ich fange gerade an als Künstler. Ich will wissen: Wie groß ist die Palette? Ich will erkunden und entdecken. Aber: Als der Joker nach seinem Plan gefragt wurde, hat er gesagt: Ich bin wie ein Hund, der Autos nachjagt. Ich wüsste gar nicht, was ich tun würde, wenn ich eins erwischen würde!
Ein in verschiedenen Formen wiederkehrendes Thema der Ausstellung ist das Verhältnis von analoger und digitaler Welt. Was ist eure Position?
DLV: Es gibt keinen fundamentalen Unterschied zwischen analog und digital. Kein Entweder-Oder und keinen Wertunterschied. Digitalität ist Teil unserer Welt. Das ist alles kein Neuland, auch nicht in der Kunst. Aber wenn ein digitales Bild malerisch wird, ist das aus sich heraus interessant. Wie etwa bei den “Studies for an Illumination”. Genauso, wenn digitales auf einmal physisch wird, verletzbar und unvorhersehbar. Etwa bei der Serie “Game of Gliches”. Wenn man digitales und analoges zusammenbringt, entsteht oft etwas Drittes. Diese Art der Überwindung der Gegensätze finde ich künstlerisch interessant.
MP: Obwohl es in meinem Leben keine Zeit ohne Internet gab, frage ich mich schon, ob das, was man als Künstler macht, nur beliebiges, flüchtiges Futter für die sozialen Netze ist. Was bleibt? Was berührt wirklich?
DLV: So etwas analoges wie eine Ausstellung ist an einen Ort, eine Zeit und die jeweiligen Besucher gebunden. Das sind alles Einschränkungen, die das Digitale nicht hat. Aber transportiert sich das, was Walter Benjamin das Auratische genannt hat?
Darum geht es, auf verdrehte Weise, in der Arbeit “In den Augen der Anderen”.
MP: Es wäre doch schön, wenn Kunst so sein könnte wie ein Sommerlied, das man auf dem Handy hat. Da kauf’ ich ja auch nicht gleich die Partitur!
DLV: Deshalb probieren wir so etwas wie einen digitalen Katalog. Für ein paar Euro bekommt man dann auf unserer Webseite einen privaten Zugang zu den Werken, den Videos und zu allerlei Hintergrundmaterial.
MP: Trotzdem sollte man sich die Ausstellung ansehen. Die Kunst braucht die Betrachter!